Graf von Kotzensteyn



Vorbemerkung: Dieses Werk stammt von einem unbekannten Autor. Es entstand so um 1960. Da war Motorradfahren noch etwas besonderes. Es soll an Lagerfeuern gesungen worden sein, zur Klampfe.
Wer damals die Musik lauter haben wollte, der mußte eben lauter singen. Das Versmaß ist passend zum Wanderlied: "Wohlauf, die Luft ist frisch und rein." Der verstorbene Ernst Leverkus hat es aufgeschrieben, als er noch Chefredakteur vom MOTORRAD war. Und es in seinem Buch: "Die schönsten Motorrad- Geschichten" veröffentlicht.
Das Motorrad, welches hier besungen wird, die Vincent, war zu ihrer Zeit schlichtweg ein Traumbike. Es war eine der letzten englischen "Ladys". Zwei- Zylinder V mit 1000 Kubik. Satte 60 PS (war damals sehr viel!) und ein gewaltiges Drehmoment. Es gibt heute nicht mehr viele davon.
Nun kommt das Werk.
 
Im Schloß des Grafen Kotzensteyn
da ist es nicht geheuer.
Da scheppert`s auf den Gängen rum
seit Jahren, und auch heuer.
Was mag das sein, das gar so bummst
die Nächte in den Hallen?
`ne Vincent ist`s, mit der die Geister
durch die Säle knallen.
Der Schloßgeist huscht um Mitternacht
umher mit nackten Waden.
Der alte Graf ist aufgewacht:
"Du wirst jetzt aufgeladen!"
Er nahm ihn auf der Vincent mit
und tat mit ihm entwetzen.
Der Schloßgeist ist auf diesem Ritt
gestorben vor Entsetzen.
Einst wollte Veith von Hobelspan
Burg Kotzensteyn erstürmen.
Der Alte trat die Vincent an
und Hobelspan ging türmen.
"Der Graf hat eine Vierlingsflak,
nur die macht solche Knälle.
Der haut uns alle in den Sack,
ich türme auf die Schnelle!"
Es war ein düst`rer Regentag,
kein Hund ging vor die Türe.
Die Bäume ächsten Weh und Ach,
es regnete nur Schnüre.
Der Alte strich sich seinen Bart
umd meint: "Das gibt ein Fressen!
Ich gehe jetzt auf Regenfahrt,
die wird kein Mensch vergessen!"
Als er sein Roß bestiegen hat`,
hört man sein knarrend Lachen.
Des Burghofs Lämpchen schimmert matt,
ab ging`s mit hundert Sachen.
Den Burgweg rauf der Pfarrer kam -
der schwört seitdem noch heute,
daß er den Teufel flitzen sah.
Das glauben ihm die Leute.
Ein Lindwurm ist dem Kotzensteyn
einmal im Weg gelegen.
Der Graf trat schnell den vierten rein
und braust dem Vieh entgegen.
Der Lindwurm sprang vor Schreck ins Meer,
ersoff zur selben Stunde.
Der Graf von Kotzensteyn seither
ist dort in aller Munde.
Ins Damenstift, zur Badezeit,
der Alte sich verirrte.
Und durch die Flure lang und weit,
im ersten Gang er schwirrte.
Die Damen flohen mit Geschrei
im off`nen Haar und Mieder.
Der Graf hatt` seinen Spaß dabei,
kam oft zur Bad`zeit wieder.
Einst hat auch der Gemeinderat
den alten Graf besucht.
Der Alte hat das gar nicht gern,
drum lästert er und flucht:
"Was braucht ihr Herren, ehrenwert,
wohl jeder `nen Mercedes?
Wer hier nicht gern Motorrad fährt,
bewege sich per Pedes!"
Ein Pferdehändler kam zum Schloß
und sprach zum Kotzensteyner:
"Herr, zeigt Euer bestes Roß,
es sei mir nicht zu teuer!"
Da holt`der Graf die Vincent raus,
ließ sechzig Pferde brausen.
Der Händler sitzt im Irrenhaus
noch heute voller Grausen.
Der Spaß des Alten war, allein
schnell durch sein Land zu wetzen.
Philister und Naturverein,
die taten sich entsetzen.
Sie hoben hoch die Nasen pfoin
und rangen noch die Hände:
"Ja, mit dem Herrn von Kotzensteyn
nimmt`s noch ein schlimmes Ende!"
Den Kerlen, die dies Lied gemacht
- mit Haut wie Lederschwarten -
den` hat der Alte Spaß gemacht
mit seinen tollen Fahrten.
Laßt alle alten Tanten schrein,
mit hochgesträubten Haaren -
Der alte Graf von Kotzensteyn
lebt noch in tausend Jahren!
----- The End -----